Was versteht man unter einem „ergonomischen Büro“?
Seit vielen Jahren wird der Begriff „ergonomisch“ verwendet, um ein Produkt oder ein Umfeld (fast immer den Arbeitsplatz) aufzuwerten. Aber können wir sicher sein, dass dieser Begriff den Grundprinzipien der ergonomischen Methodologie auch tatsächlich immer entspricht? Die Antwort scheint relativ einfach zu sein – dabei sei gesagt, dass ich mich nur auf den Aspekt beziehe, den ich am besten kenne: das Umfeld im Büro, insbesondere PC-Arbeitsplätze. Wenn bei der Planung (vor allem von neuen Arbeitsumgebungen) der Schwerpunkt auf das physiologische Wohlbefinden der Personen und eine optimale Organisation der Arbeit gelegt wird, so ist der Begriff „ergonomisches Büro“ gerechtfertigt. Nicht zufällig wird Ergonomie seit jeher als anthropozentrisch definiert, da ja gerade der Mensch hiervon profitiert, sofern die ergonomischen Prinzipien korrekt angewendet und umgesetzt werden. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Eine Mentalität, die sich leider nicht wie die Technologie ständig weiterentwickelt hat, so wie auch die Philosophie zur körperlichen Haltung am Arbeitsplatz keine Fortschritte gemacht hat. In der Tat fällt es immer schwerer, sich von den „schlechten“ Gewohnheiten zu trennen, die gestern wie heute noch bei der täglichen Arbeit vorherrschen, was der Grund dafür ist, dass immer noch eine der ältesten „fahrlässigen Disergonomien“ stark verwurzelt ist: Bei der Arbeit am PC tendieren die meisten Menschen dazu, vorrangig nur auf dem vorderen Teil des Bürostuhls zu sitzen (und die Rückenlehne ganz zu vergessen), was zu einer falschen Haltung und einer beachtlichen Belastung der Skelettmuskulatur und der Augen führt – und das ungeachtet der gesetzlichen Vorschriften oder der ergonomischen Methodologie – und nicht zuletzt auch eine geringere Effizienz zur Folge hat.
Einen großen Beitrag zur allgemeinen Belastung und folglich Ermüdung leistet sehr oft auch eine unzureichende Beleuchtung des Arbeitsplatzes, wo sie am notwendigsten ist: um die Tastatur zu bedienen und Dokumente zu lesen. Unternehmen vergeuden auch tausende von Lux in Deckenbeleuchtung, was sie durchaus zu Gunsten einer beachtlichen Energieeinsparung vermeiden könnten. Bessere Informationen und eine korrekte Einweisung durch Spezialisten bieten Hilfe, allem voran die korrekte Körperhaltung – nicht vorne auf dem Stuhl in Richtung Schreibtisch gebeugt sitzend, sondern in der Position, die man spontan beim Autofahren einnimmt, wo jeder den gesamten Rücken und damit die Wirbelsäule an die Rückenlehne des Autositzes anlehnt. Ein Augenmerk auf die korrekte Haltung und das physiologische Wohlbefinden zum Schutz der eigenen Gesundheit ist im Grunde nicht kompliziert. Guter Wille allein reicht jedoch nicht aus: Auch die Einrichtung und Gestaltung des Arbeitsplatzes spielt eine wesentliche Rolle, schlechte Gewohnheiten abzulegen.
Die korrekte Körperhaltung kann auch über einen scheinbar „banalen“, jedoch sehr effizienten Tipp definiert werden: Bauchnabel > Arbeitsfläche und Kinn > Mitte, mit anderen Worten: Die Höhe des Bürostuhls sollte so eingestellt werden, dass sich der Bauchnabel auf der Höhe der Tischfläche und das Kinn auf der Höhe der Mitte des Monitors befindet.
Das Gesetz verpflichtet zur Information und Einweisung im Rahmen von Ergonomie am Arbeitsplatz. Aber interessiert das wirklich jemanden? Denn viele Arbeitgeber, Raumgestalter, Planer und im Allgemeinen viele Spezialisten, auch im Sektor der Büroeinrichtung, interpretieren die „Risikobeurteilung“ lieber genau umgekehrt, d.h. als sei es ein Risiko, eine korrekte Beurteilung durchzuführen… vielleicht, weil sie der Meinung sind, dass sie koste und „kein Geld da ist“. Leider wird zu oft an den wichtigsten Stellen gespart (darunter zweifellos Bürostühle, Monitorträger und die Beleuchtung des Arbeitsplatzes) statt in die Gesundheit und die Effizienz dessen zu investieren, was den eigentlichen Wert jedes Unternehmens ausmacht: die Menschen, die hier arbeiten.
Luciano Guglielmini – Country Manager Humanscale – Mitglied der SIE, Società Italiana di Ergonomia (Italienische Gesellschaft für Ergonomie).